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Dänemark

Filou´s Dessert-Desaster

 

Andere Länder, andere Sitten; ist ja eigentlich bekannt und größtenteils auch so gewollt, sonst würde man sich die Mühe nicht machen, fremde Menschen, Tiere und Kulturen in ihrer gewohnten Umgebung zu besuchen und mehr über ihr Leben, ihren Landschaften, ihren Essgewohnheiten etc. – und vor allem Life und in Farbe – zu erfahren.

 

Frauchen und Herrchen sind diesen neuen Dingen durchaus aufgeschlossen und nehmen mich auf ihren Reisen immer mit. So auch dieses mal, als es erstmalig nach Dänemark, genauer Westjütland in die Nähe von Hvide Sande am Ringkøbing Fjord, ging. So weit, so gut. Das Ferienhaus, ca. 800 m vom Strand entfernt mitten in den Dünen gelegen, ließ keine Wünsche offen. Alles da was Frauchen, Herrchen und ein Hund so braucht.

 
Aber kommen wir mal zu den Essgewohnheiten der einheimischen Küstenbewohner bzw. zu dem, was der gemeine Däne nicht oder nur in geringem Umfang zu seinen bevorzugten Speisen zu zählen scheint. Dem Nachtisch. Grundsätzlich ist es mir vollkommen egal, ob Dänen Desserts mögen oder nicht. Nur im Urlaub darf ich immer die Joghurt- oder Puddingbecher, die Frauchen und Herrchen für gewöhnlich als schnellen Feriennachtisch in den einheimischen Lebensmittelläden käuflich erwerben, ausschlecken. Wenn man die gewohnten, reichhaltigen Angebote, beispielsweise die Regalfüllenden, weiten Gänge französischer Supermarktsketten – 15-20 Hersteller mit je 25-30 verschiedener Sorten an Puddings und Joghurts mit und ohne Zucker und das Ganze in unterschiedlichen Größen – zugrunde legt, machen sich die drei, vier Becher eines einzigen Herstellers in den Regalen dänischer Einzelhändler, recht mager aus. Egal in welchem Laden die beiden einkaufen gingen, die Auswahl blieb überschaubar und ich ging leer aus, da die angebotenen zwei Sorten den Geschmack Frauchens und Herrchens nicht trafen. (Muss irgendetwas Seltsames gewesen sein, Hering-Maracuja oder so)
 
Nur woran liegt es? Kein Nachfrage folglich kein Angebot. Oder kein gescheites Angebot und daher keine Nachfrage? Wenn die dänischen Experimental-Molkereien versuchen, mit solchen Sorten wie Hering-Maracuja oder Krabben-Kiwi-Froop (hier kommen auch die Krabben nicht einfach so in den Becher, sondern erst in den Mixxaah), Käufer für ihre gewagten Joghurtkreationen zu gewinnen, verwundert es nicht weiter, dass sich Konsumenten diesem Versuch durch Kaufenthaltung verweigern.
 
Hmm, im Reiseführer stand, dass Dänen zum Nachtisch allerhöchstens mal ein Stück Obst zu sich nehmen. Ja, aber warum? Klar, bei gefroopten Mixerkrabben verständlich, die gab es jedoch nicht immer. Was gab es davor? Ich habe mir da mal meine eigenen Gedanken gemacht.
 

 

         

 

 

 

 

 

 

 

 

Dänemark, ein Dessert-Desaster? Frei erfunden, anhand der fiktiven Familie Sønderson-Bjerregård.
 
So oder so ähnlich könnte es sich zugetragen haben, dass an Dänemarks Westküste, Milchprodukte keiner Nachfrage (mehr) unterliegen.
 
In Hvide Sande, mit dem fünftgrößten Fischereihafen Dänemarks, dreht sich vieles um Fisch. Auch bei Familie Bente und Bjørn-Nils und ihren Kindern Knut-Ole, Per-Morten, Jan-Bjørn und Birthe-Inger. Seit Generationen waren sowohl die Søndersons wie auch die Bjerregårds Fischer, zumindest die männlichen Mitglieder der Familien. Auch heute ist das noch so.
 
Während Bjørn-Nils Sønderson mit seinen Söhnen Knut-Ole, Per-Morten und Jan-Bjørn den größten Teil der Woche auf der rauen, sturmgepeitschten Nordsee verbringt und nach Heringsschwärmen und ähnlichem Wassergetier Ausschau hält, verbringen Bente und Birthe-Inger ihre Tage in dem neuen, mit Reet gedeckten Haus, dass sich die Sønderson-Bjerregårds vor einigen Jahren im Nygårdsvej bauen ließen, mit allerlei nützlichen und weniger nützlichen  Dingen ihre Zeit.
 
Für die ersten Tage auf See gibt Bente ihren Männern einige liebevoll mit Kærgården geschmierte und mit unterschiedlich belegten Zutaten bedachte Smørrebrød mit auf den Kutter. Ansonsten bereiten sich Bjørn-Nils und seine Söhne ihre Mahlzeiten – meistens den frisch gefangenen Fisch – selber zu. So war das immer schon.
 
Nur sonntags, wenn alle Mitglieder der Familie Sønderson-Bjerregård gemeinsam zu Abend essen, muss – auch das ein Brauch aus ewigen Zeiten, nach sechs Tagen Fisch – was Deftiges her. Etwas was schmeckt und richtig satt macht. Sonntags und an allen wichtigen Feiertagen gibt’s Kegelrobbe. Im eigenen Fett angebraten und mit Zwiebeln und Wurzelgemüse fünf bis sieben Stunden – je nach Gewicht der Robbe – unter regelmäßiger Zugabe gekörnter Brühe, wird diese langsam, mehr oder weniger heiß, an einem Stück geschmort. Hmm – fein. Nur in den Sommermonaten, mit den langen Nächten, werden die dann nur erhältlichen, tiefgefrorenen, kleineren Importrobben, über Buchenholz knusprig braun gegrillt. Und dazu reicht Bente gelegentlich jedem ein kleines Schälchen Saisonobst. Zwei, drei Erdbeeren müssen genügen.
Ein Problem, sowohl bei den einheimischen als auch bei den Importrobben, ist, sie lassen sich schlecht aufwärmen bzw. sie schmecken dann erbärmlich. Und wenn Robbe auf den Tisch kommt, wird Robbe auch gegessen, für ein Dessert ist da kein Platz.
 
Es ist es ja nicht so, dass sich Bente Sønderson-Bjerregård keine Gedanken zu einer gesunden, ausgewogenen Ernährung macht und neuen ernährungs-wissenschaftlichen Erkenntnissen nicht aufgeschlossen gegenüber steht. Seid ihr neues Haus im Nygårdsvej mit allen technischen Neuerungen (Internet, Sat-Fernsehen etc.), auf ihr Drängen hin, von ihrem Mann Bjørn-Nils nachträglich ausgestattet wurde und sie Zugang zu etlichen, auch ausländischen Fernsehsender hat, ist sie fasziniert von den Möglichkeiten, die sich ihr nun boten. Besonders Haute-Cuisine-TV, die 24 Stunden täglich die feinsten Rezepte einfach und für jeden zum nach- und mitkochen kreieren, hat es ihr angetan.
Immer mutiger wurden ihre Kochversuche, die sie, immer wenn Bjørn-Nils und die Söhne Knut-Ole, Per-Morten, Jan-Bjørn mit ihrem Kutter unterwegs waren, für Birthe-Inger und sich, ausprobierte. Birthe-Inger mäkelte schon länger an der sonntäglichen Kegelrobbe, die ihr eindeutig zu fett und zu tranig ist, herum und war begeistert von der neuen, leichteren Küche, die es nun – zumindest unter der Woche – immer häufiger gab.
 
Irgendwann, nach Monaten der Erprobung, fasste Bente Sønderson-Bjerregård den Entschluss, ihre neuen Kochfertigkeiten auch ihren Männer nicht weiter vorzuenthalten; wohl wissend, dass es nicht leicht werden wird gegen die traditionelle Sonntagsrobbe, die Bjørn-Nils, Knut-Ole und Per-Morten nach wie vor zu ihren Lieblingsspeisen zählten, anzukommen. Einzig bei ihrem Jüngsten, Jan-Bjørn, der Althergebrachtes schon des Öfteren mal in Frage stellte, war sich Bente sicher, auf wenig Widerstand zu stoßen.
 
Das Menu war sorgfältig ausgewählt. Die einzelnen Gerichte hatte sie oft genug zusammen mit ihrer Tochter ausprobiert, abgeschmeckt, verfeinert, immer wieder ergänzt um für den kommenden Sonntag auch wirklich das Beste auffahren zu können, dass sie bisher ihrem Herd entlocken konnte.
Zur Vorspeise hatte Bente ein Bärlauchsüppchen mit Streifen vom Lammfilet vorgesehen. Zum Hauptgang sollten Wachteln auf Rosenkohlsalat mit Preiselbeervinaigrette gereicht werden und den Abschluss sollte eine lockere Mousse au Chocolat auf Himbeer-Vanillespiegel bilden.
Und nur für den Fall, dass irgendetwas vollkommen daneben gehen sollte – Bentes Nervosität stieg, je näher der Sonntag rückte – kaufte sie am Samstagmorgen noch schnell einige Mönchsrobbenkoteletts im 26 km entfernten Ringkøbing ein. Man weiß ja nie.
 
Ihre Nachbarin Mette-Svenja Ålson-Østerrup, die mit ihrem Mann Bror-Poul kurze Zeit nach den Sønderson-Bjerregårds im Nygårdsvej ihr neues Haus bezogen, scheiterte vor einigen Wochen, bei ihrem Versuch den Robbenbraten durch eine modernere Speisenauswahl zu ersetzten, kläglich an der nicht ausgewogenen Menufolge und ihres nur nachlässig zubereiteten Desserts. Gut, Mette-Svenja liegen Nachspeisen nicht wirklich. Sie ist eine gute Robbenköchin. Ihre Robbe in Rotweinjus an Steinpilzen – ein Gedicht. Aber die Profiteroles (kleine Windbeutel aus zuckerlosem Brandteig), die sie neulich ihrem Mann Bror-Poul und ihren Söhnen Bjørn-Sven und Søren-Erik zum Nachtisch reichte, wurden förmlich in einer undefinierbaren, viel zu zähen und darüber hinaus versalzenen Schokoladensauce ertränkt und führten zu einer längeren Verstimmung des Familienfriedens, da schon am nächsten Morgen ihre Männer – nur unzureichend ernährt – mit knurrenden Mägen ihre Arbeit auf ihrem Fischkutter aufnehmen mussten. Mette-Svenja hatte auch keine Tiefkühlrobbe, die sie zur Not in der XL-Mikrowelle hätte auftauen lassen können, mehr vorrätig.
So ein Fiasko wollte Bente unbedingt vermeiden.
 
Wird es Bente gelingen ihren Mann Bjørn-Nils und ihre Söhne Knut-Ole, Per-Morten und Jan-Bjørn von einer neuen leichtern Küche zu überzeugen, mit der Tradition zu brechen, oder endet auch bei Familie Sønderson-Bjerregård dieser Versuch in einem Desaster.
 
Der große Tag war gekommen. Erstmalig sollte die traditionelle Sonntagsspeise einer neuen weichen. Früh stand Bente auf und bereitete alles sorgfältig vor. Sie wusch die Zutaten, schnitt sie in Streifen oder Würfel, füllte alles in die bereitgestellten Schälchen oder Schüsseln, wog die Gewürze ab, kontrollierte jeden Handgriff mehrmals, überflog die zur eigenen Beruhigung bereitliegenden Rezepte immer und immer wieder und atmete schließlich, nachdem alle Vorarbeiten bis ins Detail abgeschlossen waren, einmal kräftig tief durch und sprach sich ein letztes mal Mut zu. Jetzt oder nie.
 
Die Wahrscheinlichkeit vor dem Essen von ihrem Mann Bjørn-Nils oder einem ihrer Söhne in der Küche bei der Zubereitung der Mahlzeiten gestört zu werden und eventuellen, unangenehmen Fragen gegenüber zu stehen, wo den der Braten sei, war eher gering einzuschätzen. Für gewöhnlich mieden sowohl Bjørn-Nils als auch die Jungs ihr Reich, wenn sie sich darin betätigte. Nur Birthe-Inger ging ihr gelegentlich zur Hand; aber die war ja auch eingeweiht. Darüber hinaus war sich Bente sicher, dass es den Männer erst gar nicht in den Sinn kommen könnte, es könnte etwas anderes zu essen geben.
 
Es fiel auch nicht weiter auf, dass der sonst übliche, schwere, tranige Geruch, der langsam vor sich hin schmorenden Robbe, der immer an Sonn- und Feiertagen an der nur unzureichend dimensionierten Dunstabzugshaube, in ihrer modernen, aber für diese traditionellen Gerichte nicht ausgelegten, Küche, vorbei, durch das ganze Haus am Nygårdsvej waberte, an diesem Tag fehlte beziehungsweise nur als ganz schwache Note, kaum merklich, durch die geöffneten Fenster hinein, aus Mette-Svenja Ålson-Østerrups gegenüberliegendem Küchenfenster hinüberwehte, die nach ihrem Fehlversuch zum klassischen Sonntagsmahl zurückgekehrt war.
Auch kam Bente zugute, dass sowohl Bjørn-Nils als auch Knut-Ole und Per-Morten mit leicht verschnupften Nasen und den damit einhergehenden Geruchsbeeinträchtigungen – in dem Fall – gesegnet waren und Jan-Bjørn bei seiner Freundin Karen Østerrup – Mette-Svenja Ålson-Østerrups jüngsten Nichte – weilte, erst zum Essen wieder zurück erwartet wurde.
Es lief hervorragend.
 
Die Mousse au Chocolat stand fertig im Kühlschrank. Die Bärlauchsuppe köchelte leicht vor sich. Die Lammfiletstreifen konnten erst unmittelbar vor dem Servieren kurz angebraten werden, waren auch schon vorbereitet. Auch die Wachteln und alle anderen Zutaten – alles fertig.
Liebevoll deckte Bente den großen, geölten Birkenholzesstisch, rückte die Stühle zurecht, arrangierte die am Vortag gekauften, kleinen Blumengestecke, die sie in dem Blumenladen ihrer Freundin im Parallelvej vorbestellt hatte, kunstvoll in der Mitte der Tafel und wartete, dass die hungrige Meute sich zum Essen einfinden würde.
 
Das Klingeln an der Haustür schreckte sie auf. Nicht jetzt, nicht an diesem Tag. Normalerweise störte es Bente nicht, wenn unangemeldeter Besuch sich selbst zum Essen einlädt. Es gab immer reichlich Robbe, vier, fünf Leute mehr oder weniger spielten nie eine Rolle. Aber der Tag war nicht für Gäste gedacht.
 
Aber noch bevor es ihr möglich wurde, durch eine improvisierte, fadenscheinige Ausrede das sich anbahnende Unheil irgendwie abzuwenden, hatte Bjørn-Nils seinen Schwiegervater Anders-Mikkel Bjerregård und seinen Schwager Malte-Bjørn, der seit der Scheidung von seiner Frau Lene, alleine im ca. 22 km südlich von Hvide Sande liegenden Nymindegab lebt und an diesem Wochenende seine, sonst bei seiner Ex-Frau lebenden Kinder, Torben-Bjørn und Inken-Lærke, zu Besuch und jetzt dabei hatte, in ihr Heim im Nygårdsvej gebeten und ins Esszimmer geführt.
Das gequälte Lächeln, als Bente weitere Gedecke auf den Birkenholzesstisch legte, zum dem sie sich nur mühsam durchringen konnte, entging dem Besuch.
 
Wenige später fanden sich auch ihre Söhne Knut-Ole, Per-Morten, Jan-Bjørn und Tochter Birthe-Inger im heimischen Esszimmer ein. Mit ihr begann sie dann auch – obwohl ihre Zuversicht, ein hervorragendes Menu servieren zu können und die noch vor einer Stunde ihre gute Laune bestimmte, sich in die weiten Dünen westlich des Holmsland Klitvej verflüchtigt hatte – den ersten Gang, ein mit Sahne und Brühe gestrecktes Bärlauchsüppchen und Streifen vom Lammfilet, aufzufahren.
 
Wider erwartend schmeckte es allen und ein wenig Hoffnung keimte auf. Auch bei den Wachteln gab es zufriedene Gesichter. Eigentlich hat Bente für ihren Mann und ihre Söhne jeweils eine ganze Wachtel vorgesehen. Für sie selbst und Birthe-Inger nur eine halbe. Dass es für jeden dann nur halbe geben würde war ja auch nicht vorgesehen, ließ sich jedoch nicht mehr vermeiden.
Mit einem Lächeln räumte sie die Teller ab und bereitete den Nachtisch in der Küche vor. Ihr fataler Irrtum war: Im Esszimmer hielt man die mickrigen Wachteln nur für einen zusätzlichen – letztendlich aber entbehrliche – Zwischengang, einer Art Amuse-Guelle, einen Appetitanreger vor dem eigentlich, richtigen Essen: Fetter Robbe im Wurzelgemüse geschmort.
Das es lange Gesichter gab, als Bente nichtsahnend ihre kunstvoll angerichtete Mousse au Chocolat auf Himbeer-Vanillespiegel anrichtete, bedarf dann keiner zusätzlichen Erläuterung mehr.
 
Auch ihr Versuch, Traditionen zu durchbrechen, scheiterte. Seither gibt es auch bei den Sønderson-Bjerregårds an Sonn- und Feiertagen wieder geschmorte Kegelrobbe. Und wenn Robbe auf den Tisch kommt, wird Robbe auch gegessen, für ein Dessert ist da kein Platz.
 
Wahrscheinlich, sind aber nur so meine Gedanken, besteht einfach keine Nachfrage (mehr) und deswegen ist das Angebot an Joghurt und Pudding bei Westjütlands Einzelhändlern überschaubar.

 

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